Schlittern wir in den Dritten Weltkrieg?

….unter dieser Schlagzeile erfolgte am 9. April 2025 ein Gespräch  zwischen dem Journalisten Markus Feldenkirchen und dem Philosophen Richard David Precht. Das Gespräch findet sich auf YouTube und ist wert, ein Ohr zu bekommen, denn es geht um aktuelle Bedrohungslagen und deren Einschätzungen.


Herr Precht ist zur Zeit der deutsche Vorzeigephilosoph, der sich aktuellen Gesellschaftsthemen widmet und u.a. auch mit Markus Lanz einen Podcast zu diesen Themen gestaltet.


Herr Precht ist ein scharfsinniger Allrounder, aber ist er auch ein kompetenter Einschätzer militärischer Strategien und Sicherheitslagen in Europa oder sonst wo auf der Welt? Er selbst hat es bei Feldenkirchen im Gespräch folgendermaßen auf den Punkt gebracht: „…die Militärfachleute mögen etwas von Waffensystemen, ihrer Bereitstellung und ihrer Wirkungsweisen, verstehen, sie verstehen aber nichts über die Folgen oder Auswirkungen ihrer Expertise auf Politik und Gesellschaft.


Feldenkirchen präzisiert in Bezug auf den Militärhistoriker Sönke Neitzel, der neulich öffentlich äußerte, dass wir vielleicht den letzten Sommer in Frieden erleben werden, an Precht gerichtet: „Sie geben also nichts auf diese Expertise eines Sönke Neitzel?“.


Auf dem Hintergrund dieser Fragestellungen von Kompetenz oder Inkompetenz in der Einschätzung der aktuellen europäischen Sicherheit wird der erste Teil des Interviews bestritten, später wird auch auf die persönliche Sozialisation von Richard David Precht eingegangen.


Ich fand es ausgesprochen erfrischend, wie  es Herrn Feldenkirchen immer wieder gelang, Herrn Precht auf diese Kernfrage zu zentrieren: wer hat eigentlich mehr Kompetenz auf dem angesprochenen Gebiet Bedrohungslage, Sicherheitsstrategie?


Auch Militärexperten wie Nico Lange - Senior Fellow der Münchner Sicherheitskonferenz - oder der österreichische Militärökonom Marcus Keupp (ETH-Sicherheitsexperte), oder der Hochschullehrer und Politikwissenschaftler Carlo Masala, der jüngst ein Buch darüber schrieb, wie Putin die NATO testen könnte - „Wenn Russland gewinnt - ein Szenario“… alles Experten, denen Herr Precht zu trotzen scheint, indem er die derzeit leider wieder beginnende Rüstungsspirale anprangert und die berechtigte Frage stellt, ob das Geld nicht woanders besser Verwendung finden könnte.


Prechts Hauptargument in der Verneinung von Putins Absichten, dessen Forderungen an die NATO, die Grenzen von 1997 wieder herzustellen (Aufhebung der sogenannten „Ost-Erweiterung“):


„Putin ist zwar Diktator mit Großmachtphantasien, aber er ist nicht dumm!“


„Was soll Putin bitte in Europa sich aneignen können und wollen - Rohstoffe haben wir ja nicht“


„Putins Armee ist am Ende und hat versagt, die Ukraine in drei Jahren einzunehmen“


Mit solcherlei Ansätzen begründet Precht seine Expertise zu einer europäischen Sicherheitslage aus seiner Sicht und meint, wir sollten doch mit dem Säbelrasseln tunlichst aufhören, denn, man höre: wir würden sonst die russische Atommacht zum Schlimmsten provozieren.


Was ist eigentlich der Unterschied zwischen „provozieren“ und „abschrecken“, Herr Precht? Hat nicht der sogenannte „Kalte Krieg“ mit seiner Rüstungsspirale gerade uns in Europa mit seinen atomaren Abschreckungsdoktrien einen stabilen Frieden für die Entwicklung von Freiheit und Wohlstand garantiert? Und hat er am Ende nicht das Wettrüsten dadurch beendet, weil der „Ostblock“ oder Warschauer Pakt wirtschaftlich die Reißleine ziehen musste, weil leider oder Gott sei Dank der westliche Kapitalismus obsiegte? Das förderte mit Sicherheit das östliche Bestreben, es dem Westen gleich zu tun, zumindest in Wirtschaftsfragen. Gorbatschow läßt grüßen. Kann man aus dieser Geschichte nicht einfach lernen?


Hat Putin zu Beginn seiner Präsidentschaft noch mit eiserner Hand die sich ausbreitende Korruption östlicher Eliten und Oligarchen wie Schuljungen im Klassenzimmer versammelt und „rund gemacht“ ob ihrer Bereicherungsmethoden in Folge des Zusammenbruchs der UdSSR und der Ausbreitung kapitalistischer Wirtschaftsideen, so hat er sich später darauf konzentriert, jene ihm loyalen Oligarchen zu einer Kreml-Kleptokratie  zu formieren, die fortan seine Trauerarbeit am Untergang der UdSSR in neuen Großmachtphantasien zu kompensieren halfen. 


Deutschland steht am wirklichen Wendepunkt: nämlich endlich für seine eigene und Europas Sicherheit auch militärisch einzustehen, oder eben nicht. Gerade feiern wir das 80. Jahr unsere Mitgliedschaft in der NATO und haben innerhalb jener Periode den Vorteil des amerikanischen Schutzschirmes in vollen Zügen genossen: eigene Rüstungsausgaben heruntergefahren, Infrastruktur und Bundeswehr minimiert, Annäherung an Russland nach dem Prinzip „Wandel durch Handel“ z.B: mit billigem, russischen Gas. Doch es kam anders: Putins Machtphantasien gewonnen an Gestalt unter der Lüge bedrohter Sicherheitsinteressen durch eine „Osterweiterung“ der NATO. Seine Vorgänger im Amte hatten noch unterschrieben, dass ehemalige Teilstaaten der UdSSR selbstständig ihr Bündnis wählen können dürfen - und sie taten es seit den 90er Jahren. Sie taten es, weil sie historisch die Erfahrung gemacht hatten, wie Zentralrussland, oder besser gesagt Moskau, sie behandelt hatte, wirtschaftlich und kulturell. Sie „erweiterten“ sich nach Westen, wollten dessen Freiheit, Marktwirtschaft und demokratischen Staatsgebilde.


Die Bedrohungslüge russischer Interessen wurde spätestens mit dem NATO-Beitritt Finnlands offensichtlich: kein mucksen und murren Putins, der sich nun dort eine der längsten Grenzen mit der NATO gegenübersieht. Er fühlte sich derart „bedroht“, dass er von dieser Grenze sogar Truppen abzog und in die von ihm überfallene Ukraine entsendete.  


Doch zurück zum deutschen Pazifismus. Dieser Gedanke einer erneuten Aufrüstung zur Wehrfähigkeit will so gar nicht in ein Pazifismus-Bild der 70er Jahre passen und Herr Precht meint: kein Vater und keine Mutter werden ihre Kind noch in einen Krieg schicken wollen - der Zug sei vorbei.


Diese Fragen oder ähnliche dürfte sich die ukrainische Zivilgesellschaft auch gestellt haben, als Putin das Land mit Waffengewalt überfiel. Und ja, es gibt junge Ukrainer, die davor flüchten, eingezogen zu werden, aber auch ja, es gibt jene einschließlich des weiblichen Bevölkerungsteils in der Ukraine, die ihr Land freiwillig an der Front verteidigen.


Das Einstehen für seine Heimat, der Freiheit und Gestaltungsmöglichkeiten in einer noch intakten Demokratie, ist einfach nicht mehr auf dem Sender einer verwöhnten Wohlstandsgesellschaft, die das Glück im Privaten sucht, und die Auseinandersetzung nur im abstrakt intellektuellem Philosophieren…..die Eliten rufen unablässig zu „Verhandlungen“ auf, ohne Eingedenk darüber, wer eigentlich der Verhandlungspartner genau sein soll. Der Aggressor Russland, der nicht Müde wird, seine Maximalforderungen seines Raubzuges gegen ein freies Land einzufordern: Kapitulation, Rückzug von Regierung und Militär, Gebietsabtretungen, keine NATO-Mitgliedschaft und man hat bereits auf Kriegswirtschaft umgestellt.


Ja, Herr Precht: Kriegswirtschaft ist unproduktiv, denn sie erzeugt nichts, was man außer im Krieg brauchen könnte, im Gegenteil. Man muss dass Erzeugte warten und in Stand halten. Wann also würde sich Putins Ansatz dennoch rechnen? Wenn er weitere Länder überfällt, lautet die einfache aber stringente Logik.


Die Gegenlogik des Westens besagt: wir unterstützen die Ukraine militärisch stellvertretend für uns (den demokratischen Westen) und gewährleisten durch unsere weit größere Wirtschaftskraft als Russland, dass Putin wie Ende der 80er Jahre aus wirtschaftlichen Gründen wieder einlenken muss. Zu Hilfe kommt uns Donald Trump mit seinem Zollfiasko: der Preis für Öl pro Barrel nähert sich der 50 USD Marke, ein Preis, bei dem es sich auch für Putin nicht mehr lohnt, sein Öl für Kriegszwecke zu fördern und zu verkaufen.


Die gegenwärtige Bedrohungslage zeigt sich auch daran, dass durch russische Desinformationskampagnen über Trollfabriken in Sozialen Medien bereits eine Zersetzung der europäischen Staatengemeinschaft voranschreitet. Dank Trump wird selbst die glasklare Täter-Opfer Beziehung Russland-Ukraine umgedreht: wie konnte Selenskij nur einen Krieg mit einer überlegenen Macht beginnen? Das aus dem Munde des Präsidenten der mächtigsten Nation im Westen.


Die Ukraine und Europa gehen der  derzeitigen US-Administration am A….  vorbei. Sollte da Putin nicht tatsächlich mal antesten wollen, was denn die NATO ohne die USA noch wert ist? Würde Trump bei einem konventionellen Übergriff Putins im Baltikum oder sonst wo mit der nuklearen Keule drohen? Das wäre die besorgte Frage eines Realisten. Konventionell militärisch will Trump mit Europa nichts mehr am Hut haben. 


Über derartige Überlegungen höre ich von Precht, Wagenknecht und sonstigen Pazifisten rein gar nichts. Die fabulieren lieber über Kriegstreiber im eigenen Land, sehen den in Moskau bereits aktiven aber beharrlich nicht.


Eine Russland-Expertin (Sabine Adler) warnt bei Miosga vor einer „echten Kriegsgefahr“ für EU und Nato. Experten blicken mit Sorge auf das geplante „Sapad“-Manöver in Belarus.


Kommt uns das nicht bekannt vor - Ukraine im Februar 2022?


Also lieber Leser, möge jeder für sich selbst entscheiden, ob er Stellung beziehen möchte oder doch lieber seinen verträumten Schlaf fortsetzen möchte. 

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