
Der Begriff „Unterwerfungspazifismus“ wurde vom deutschen Politikwissenschaftler Herfried Münkler geprägt und vom ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck aufgegriffen.
„Es ist nicht ein Krieg der droht, sondern ein Krieg der existiert“, so Gauck bei Lanz am 24. Juli 2025. Doch weil man so an ein Leben in Sicherheit, Ruhe und den Freuden der Freiheit gewöhnt ist, neige man dazu, das Gefährdungspotenzial, das der Krieg in der Ukraine für alle Europäer bedeute, lieber zu verdrängen. „Es fehlt ja nicht an warnenden Stimmen. Aber ein Teil der Bevölkerung findet ja, dass die Warnungen übertrieben sind. Und interessanterweise kommen diese Stimmen, die sagen ‘Na ja, so schlimm ist es ja nicht‘, von Rechtsaußen wie von Linksaußen.“
Gauck spricht vom heutigen Russland als „Homo Sowieticus“, ein Begriff aus den 1960er Jahren und er wurde bekannt durch den gleichnamigen Roman des Dissidenten Alexander Sinowjew 1984. Es geht um einen Menschen, der sich als Opportunist gebärdet: er lässt sich von seiner Führung alles gefallen und will so wenig individuelle Verantwortung wie möglich übernehmen. Er verrichtet Dienst nach Vorschrift ohne Eigeninitiative. Das Stehlen von Volkseigentum ist lediglich ein Kavaliersdelikt, usw..
„Wir erleben durch Russland nicht nur einen Krieg in Europa, sondern auch eine generelle Entmenschlichung“, meint die deutsche Kriegsberichterstatterin Katrin Eigendorf neulich bei Markus Lanz.
Herfried Münkler spricht von einem Wechsel der Weltordnung von „Regel basiert“ zu „Macht basiert“. Freilich war die bisherige, regelbasierte Ordnung selten effektiv, denn die Regelbrecher behielten immer die Oberhand. Die Vereinten Nationen entarteten zu einem Debattiereclub und ihr scharfes Schwert, der Sicherheitsrat, entpuppte sich von Anfang an mit den Vetorechten der sogenannten „Siegermächte“ als stumpfes Schwert. Man kann eben Böcke nicht zum Gärtner machen.
Mit dem Wegfall der „Weltpolizei“ USA seit Donald Trump spitzt sich die Lage noch zu. Dennoch werden Rechte wie Linke nicht müde, die warnenden Stimmen von weiter oben als „Kriegstreiber zu diffamieren: jene, die einem mit Waffengewalt von Russland überfallenen Staat - die Ukraine nämlich - unter Einsatz eigener Güter zur Seite Stehen wollen, werden beschuldigt, jene Güter für falsche Zwecke auszugeben, denn man habe ja genügend eigene Probleme. Und freilich: eine Atommacht ist nicht besiegbar, skandieren die Vorzeigepropheten der wahren Weisheit - von Wagenknecht bis Precht - , die den waffenspezifischen Diskussionen aber auch gar nichts abgewinnen können. Verhandeln…verhandeln…verhandeln schallt es stereotyp aus ihren Mündern, und unbelehrbar was bisherige Verhandlungserfolge betrifft: der Aggressor Putin will keine Verhandlung, er will Unterwerfung. Putin ist bereits seit den 90er Jahren - ja, bereits vor der beeindruckenden Rede auf deutsch im Bundestag 2001 - maßlos enttäuscht über den Zerfall seiner Sowjetunion, und bedient damit seinen wachsenden Revanchismus, der gegenwärtig in einem Genozid an der Ukraine mündet: jeden Tag Bomben auf die Zivilbevölkerung. Seine militärischen Fortschritte an der Front sind beschämend und jämmerlich und spiegeln sich in der Einnahme von kleinen Dörfern unter Opferung von tausenden seiner Soldaten täglich. Seit bald 3 Jahren kaum strategisch bemerkenswerte Fortschritte. Die Weltmacht „Russland“ lässt grüßen und droht mit ihrem Atomarsenal. Obama bezeichnete Russland nach dem Untergang der UdSSR als eine Regionalmacht und Helmut Schmidt außergewöhnlich über die damalige Sowjetunion: „sie sei Obervolta (Staat in Westafrika, heute Burkina Fasu) mit Atomraketen“.
Schaut man sich die neuen geopolitischen Player an, so nennt Münkler: USA, China, Russland, Indien und Europa. Russland nicht etwa wegen seiner Wirtschaftsleistung, aber wegen seinem Atomarsenal. China und Russland sind durchaus nicht so dicke, wie Xi und Putin gerade tun, da gibt es genügend Konfliktfelder in der Pipeline. Der jetzige Rohstoffdeal Putins mit China wurde vor kurzem von Xi noch wegen zu teuer abgelehnt, als der Westen noch Putins Nordstreampipelines bemühte.
China ist auch nicht imperial aufgestellt wie Putin, sondern baut seinen wirtschaftlichen Einfluss auf der Welt aus über seine „neue Seidenstraße“: man fördert großzügig die Infrastruktur in aufstrebenden Ländern oder kauft Häfen, und stundet die Gegenleistung großzügig. Auch wenn sich Putin auf Augenhöhe mit Xi betrachtet, so weiß letzterer genau um die Stellung des ersteren: er dient als Gehilfe und Unruhestifter in Europa, man könnte überzogen sagen: Putin ist ein Vasall von Xi. Und Putins Bündnis der nordkoreanische Kim, Repräsentant eines Schurkenstaates, ist ein weiteres Indiz für Putins ausweglosen Weg zurück zu einer Weltmacht. Er lebt gerade nur von seiner Kriegswirtschaft, die er mit seinen Rohstoffen finanziert über Schattenflotten, und seine Human Resources schwinden im Krieg zunehmend, selbst um eine derartige Rüstungsindustrie aufbauen zu können. Der Zug für eine reguläre Wirtschaft ist abgefahren: man kann bald nicht mehr handeln, sondern nur noch andere Länder überfallen.
Putin versucht in der Trumpfrist von 50 Tagen möglichst viel Gelände in der Ukraine dem Boden gleich zu machen, so stark ist sein Groll gegen den Westen, den er als Verursacher seiner Spezialoperation betrachtet. Dazu wird Geschichte umgeschrieben und das eigene Volk belogen, das dennoch hinter ihm steht….vgl. den „Homo Sowjeticus“ w.o..
Der ehrenhafte Tod an der ukrainischen Front für seine Idee eines russischen Großreiches mag den Witwen mehr Trost vermitteln, als der Säufertod ihrer Söhne durch die Volksdroge Wodka.
Unterwerfungspazifismus ist ein Irrweg der Verdrängung realer Bedrohungen, um die lieb gewordene Ruhe des eigenen Lebens in Freiheit und Wohlstand nicht zu gefährden - eine Milchmädchenrechnung! Auch der lieb gewordene Gedanke, andere könnten einen im Ernstfall verteidigen, ist klarer Sebstbetrug. Ohne einen eigenen Beitrag im Staat für den Staat kann dessen Souveränität nicht bewahrt werden, und mithin nicht die individuelle Freiheit. Wie dieser Beitrag dann aussieht, muss jeder für sich selbst entscheiden. Parolen wie „Schwerter zu Pflugscharen“ oder „nie wieder Krieg“ helfen jedenfalls nicht weiter, denn sie sind angesichts der aktuellen Lage reines Wunschdenken.
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