
Die Unterzeichnung des 2–4 Vertrags in Moskau (© Bundesarchiv 183‑1990-0912–027, Foto: Thomas Uhlemann)
Wann fühlt man sich eigentlich bedroht? Ich würde mich bedroht fühlen, wenn in meiner Nachbarschaft jemand Anstalten trifft, mein Leben, oder das meiner Familie, so zu gefährden, dass meine eigene Lebensplanung in Gefahr gerät, durchkreuzt zu werden.
Die Installation von Überwachung- und Sicherheitstechnik beim Nachbarn würde mich selbst nicht beängstigen, im Gegenteil. Ich vermute auch, das meine eigenen Anstrengungen dahingehend diesen Nachbarn ebenfalls nicht bedrohlich erscheinen würden, außer er würde tatsächlich Böses gegen mich im Schilde führen. So weit mein Grundverständnis.
Erweitern wir das auf Nachbarschaften von Staaten.
Hier würde, um im Bild zu bleiben, nicht nur Überwachungstechnik eine Rolle spielen, denn im privaten Umfeld kann ja bei Bedrohung die Ordnungsmacht Polizei gerufen werden - bei einem Staat gibt es keine staatsübergreifende Ordnungsmacht, daher würde bereits Abwehrtechnik wie z.B. Selbstschussanlagen oder ähnliches instaliert werden.
Wäre das bereits eine Bedrohung für meinen Nachbarn, wenn ich soetwas täte? Ich glaube nein, denn wenn er mich in Ruhe lässt, muss er ja nichts befürchten.
So, jetzt haben wir plausible Grundlagen erarbeitet, um echte Bedrohungen von behaupteten Bedrohungen zu unterscheiden.
Weiter wird die Gesinnung der Beteiligten in diesem Nachbarschaftskrimmi eine viel entscheidendere Rolle spielen: kann ich dem Nachbarn trauen, wie hat er sich in der Vergangenheit verhalten, welchen Überzeugungen haftet er an.
Übertragen wir diese Zusammenhänge auf Russland und die NATO.
Wir haben vermehrt Stimmen auch im Westen, die ihr sogenanntes Einfühlungsvermögen in russische Sicherheitsinteressen überstrapazieren, bis hin zu einem Ausmaß, dass man an eine Übernahme russischer Propaganda denken könnte: politische Parteien von links bis rechts, von BSW/LINKE bis AfD, aber auch gewisse SPD Vertreter wiederholen ständig die Vorwürfe einer bedrohlichen Osterweiterung als Bruch eines Versprechens der NATO gegenüber Russland als Nachfolgestaat der zerbrochenen UdSSR.
Übrigens, warum eigentlich sitzt Putins Russland automatisch noch im Sicherheitsrat der UN, als Rechtsnachfolger der UdSSR, kann oder muss man so argumentieren?
Selbst einige Historiker halten an dieser Auffassung fest, obgleich das Versprechen am Rande der Verhandlungen des 2+4 Vertrages, also bei den Verhandlungen um die deutsche Wiedervereinigung zwischen den 4 Siegermächten und den zwei deutschen Staaten - BRD und DDR - nur vom damaligen, deutschen Außenminister Genscher geäßert wurde….es floss in kein verbindliches Vertragswerk ein. Kurz darauf wurde vom UdSSR Nachfolgestaat sogar verbindlich unterschrieben, dass die zukünftige Bündniswahl ehemaliger Mitglieder der alten UdSSR diesen frei gestellt ist und der Nachfolgestaat der UdSSR sogar kein Vetorecht habe.
Soweit die Fakten. Dass in der Folge jene Ex-Mitglieder der UdSSR mit fliehenden Fahnen zur NATO flüchteten, ist auch kein Geheimnis, und die Gründe dafür dürften auch nicht schwer zu ergründen sein: sie waren wohl nicht ganz freiwillig in die UdSSR eingebunden, oder?
Russland und Putin basteln aus diesen Fakten dann eine bedrohliche Osterweiterung, was tatsächlich aber eher eine Westflucht ehemaliger, russischer Satelitten darstellt. Als dann im Norden Finnland und Schweden aus Anlass des erneuten russischen Überfalls auf die Ukraine 2022 (zuerst 2014) ebenfalls der NATO beitraten, war die russische Bedrohungskritik eher verhalten. Die empfundene Bedrohungslage für Putin müsste sich eigentlich verdoppelt haben, aber nein, sein Hauptthema ist und war die Ukraine.
Bereits hier erkennt man, dass von Anfang an eine russische Bedrohungslage von russischen Machthabern nur als Vorwand behauptet wurde. Und diese Erzählung wurde und wird bereitwillig von Populismus-Experten wie Krone-Schmalz, Sahra Wagenknecht und Daniele Gansert in klingende Münze oder Parteiideologie umgemünzt.
Dass die ukrainische Armee von der NATO ausgebildet und unterstützt wurde, dass westliche Geheimdienste an der Grenze zu Russland Aufklärung betrieben haben und treiben, betrachte ich nach meinen einführenden Überlegungen zu Bedrohungslagen eher als Bagatelle.
Kommen wir zur Gesinnung.
Der russische Nachbar ist ja ein ganz spezieller, und er war es schon immer. Demokratische Allüren erzeugen bei seinen Machteliten quälende Ängste, genau diese Macht nämlich zu verlieren. Die scheinbaren Säuberungen staatlicher Institutionen von korrupten Oligarchen durch Putin erfolgten halbherzig: ihm unangenehme wurden ins Gefängnis gesteckt oder flohen ins Ausland, ihm loyale bilden nun seine eigene Kreml-Kleptokratie.
Putin selbst steigerte sich in 25 Jahren in sein Untergangstrauma der UdSSR derart hinein, dass inzwischen wieder Stalindenkmäler Renaissance erfahren, Geschichtsbücher umgeschrieben werden, und man definitv versucht, das alte Zarenreich wieder zu rekonstruieren. Das steht nicht nur in ultrarechten Doktrien seines Chefideologen Alexander Dugin, für den der Westen der Teufel in Person ist, nein, inzwischen wird ganz offen die ehemalige UdSSR verherrlicht, indem sich sein Außenminister und Profi-Lügner Lawrow in Alaska beim Treffen mit Trump unter dem Jacket mit einem CCCR Shirt zeigt, und andere Kreml Verantwortliche ganz offen darüber sprechen, das ukrainische Volk zu deportieren und die Ukraine jahrzehnte zu bestrafen, und an Europa gerichtet lässt man verlauten: „Wo ein russischer Soldat seinen Stiefel hinsetzt, das Land gehört zu Russland“.
Der französische Staatspräsident Macron hat Recht: Putin ist ein Raubtier, und er muss weiter fressen…seine Nachbarn nämlich.
Putins Russland steht vor dem Staatsbankrot wie damals Gorbatschows UdSSR, nur er hat es sich mir Europa gründlich versaut. Er muss bis zum Untergang militärisch operrieren. Seine Soldaten kann er nur noch mit wertlosen Staatsanleihen und gedruckten Rubeln bezahlen, die Arbeiter für eine vernünftige Zivilgeschäftswelt fehlen und werden an der ukrainischen Front durch den Fleischwolf gedreht: er setzt alleine auf Kriegswirtschaft und Ölverkauf. Seine wissenschaftliche Elite ist bereits 2022 ins Ausland geflohen.
Putin erhoffte sich durch das Treffen mit Trump wieder eine Rehabilitation als internationale Großmacht deren Status ihm Obama versagt hatte. Mit Trump hat das funktioniert, ihn kann er manipulieren. Er wähnt sich auch auf Augenhöhe mit Xi, was aber keinesfalls zutrifft: er ist für Xi der nützliche Idiot, der Europa für ihn in Atem hält. Stattdessen muss er sich über Schurkenstaaten bewaffnen lassen oder selbst dort Soldaten rekrutieren (Nordkorea, Iran). Das Schauspiel in Alaska soll trefflich von seinen wirtschaftlichen Problemen im eigenen Land ablenken. Putin möchte schnell noch Tatsachen in der Ukraine schaffen, bevor er restlos auffliegt. Erste Proteste und Raufereien an russischen Tankstellen ob der steigenden Benzinpreise finden bereits statt…die westlichen Sanktionen greifen sehr wohl, obgleich westliche „Experten“ wie Wagenknecht das bezweifeln. Würden Sanktionen des Ölverkaufs an Drittlander greifen und das eingefrorene, Russische Vermögen der Ukraine übereignet, und der Ölpreis unter 50 USD/Barrel nachhaltig sinken, wäre er am Ende - er weiß das. Seine Zentralbankchefin kann ihn nicht ewig unterstützen.
Der Westen hat wirtschaftlich die besseren Optionen, militärisch ohne die USA leider nicht. Auch hier widersprechen sich die westlichen Nachrüstungsgegner: die NATO ohne USA Beistand stellt keine Bedrohung für Putin dar. Mit Sicherheit wird er das im Baltikum austesten, wenn Trump ihn weiter so hofiert.
Auch hier gibt es viele Leugner einer Kriegsgefahr im Westen: welches Interesse sollte Putin haben, selbst nach einer ukrainischen Kapitulation? Ganz einfach: das Feindbild freiheitlich, demokratischer Staaten Europas. Putin ist europhob, nicht wir sind russophob! Die Leugner haben eher eingebildete Kriegsangst wegen vermeintlich westlicher Provokationen als realer Kriegsangst vor Putins Motivation.
Dem Westen wird militärische Provokation vorgeworfen, obwohl dieser Monate, sogar Jahre benötigen würde, ohne die USA der russischen Armee überhaupt standzuhalten zu können.
Also, das Märchen eines vom Westen „provozierten Angriffsgrieges“ Russlands gegen die Ukraine ist genau das: ein Märchen.
Das Märchen vom Stellvertreterkrieg der USA in der Ukraine ist wegen Trump ebenfalls vom Tisch.
Die Gesinnung des russischen Machthabers ist entlarvt, und jene, die ihm bewußt ider unbewußt auf den Leim gehen, ebenfalls. Sie organisieren derweil fleißig Friedensdemos im Westen, während Putin in der Ukraine seinen Genozid am ukrainischen Volk ungebremst weiter durchzieht, nur um sein Großmachtstrauma zu bedienen. Aber halt: die Ukraine leistet Widerstand, beharrlich und effektiv. Mit Hilfe ihrer Verbündeten wird Putin scheitern müssen.
Verbündet ist man aber nur, wenn man nicht nur unterstützt, sondern aktiv eingreift. Ja, richtig gehört: aktiv eingreifen. Was das bedeuten kann, wird gerade durch die Koalition der Willigen verhandelt. Es muss allerdings Putin glaubhaft abschrecken können, seinen Expansionsdrang aufzugeben, und der Ukraine glaubhafte Sicherheitsgarantien im Kreise des europäischen Staatenverbundes gewährleisten…..jedenfalls keine Neuauflage von gescheiterten Minsk Verträgen. Ich bin sicher, Europa ist dazu in der Lage, auch ohne Amerika.
Kommentar schreiben