
…wieder einmal ein ausgezeichneter Artikel auf „X“ den ich ungekürzt zitiere:
von MRatzow (x) Russland-Analyse.de
Die Krise der westlichen Demokratien wurzelt in einer wirtschaftlich unausgeglichen Hyper-Globalisierung.
Die Folge: eine Re-Radikalisierung alter Rechts-Links-Weltanschauungskonflikte, die nach 1950 koalitionspolitisch zunächst ausbalanciert werden konnten.
Im Windschatten von Polarisierung und Social-Media-Revolution sind so überall im "alten demokratischen Westen" neue autoritäre Bewegungen entstanden:
Rechtspopulistische Anti-Demokraten, die sich demagogisch als Erneuerer der Demokratie inszenieren - sich aber durch ihre Kooperation mit autokratischen Großmächten verraten.
Auf dem Spiel steht v.a. die Integrität der demokratischen Verfassungsinstitutionen, die zum reinen Machtinstrument radikaler Regierungen zu werden drohen.
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DIE HYPER-GLOBALISIERUNG ALS KATALYSATOR MULTIPLER KRISEN
Die Post-1990-Hyper-Globalisierung (sprich: die weltwirtschaftl. Vernetzung wächst schneller als die Weltwirtschaft selbst) hat kein zweites Wirtschaftswunder à la 1950 - 1970 hervorgebracht.
Dafür aber multiple Krisen: Finanzkrisen / Umweltkrisen / Migrationskrisen / Pandemien / Geopolitische Rivalität
Die ökonomischen Gewinne dieser Hyper-Globalisierung wurden (gemäß dem neoliberalen Dogma) privatisiert, die Kosten verstaatlicht.
Die öffentliche Ausgabenlast (Sozialstaat / Umwelt / Migration / Verteidigung) wuchs schneller als die Steuereinnahmen des öffentlichen Sektors.
Die Folge: chronischer Geldmangel.
Die Folge waren/sind eskalierende Verteilungs- und Reformkonflikte zwischen den politischen Lagern.
DIE ROLLE DER PROPAGANDA UND SOZIALEN MEDIEN
Parallel dazu hat der Aufstieg von Social Media ein Comeback von aggressiver ideologischer Propaganda in den öffentlichen Diskurs befördert.
Dadurch wurde die Entstehung abgeschotteter Weltanschauungslager befördert.
Dadurch erodiert die Koalitionswilligkeit, auf die parlamentarische Systeme angewiesen sind.
DIE FORMIERUNG DES NEUEN RECHTSPOPULISMUS
Auch wenn alle politischen Lager von dieser Tendenz beeinflusst sind - einschließlich Teile der Linksliberalen -, hat sich kein Bereich so breit radikalisiert und gleichzeitig vergrößert, wie das rechte Spektrum.
Bzw: der vielfältige, aber vernetzte "Right Wing Sector", vom Rechtsliberalismus/libertarismus und Rechtskonservatismus bis zur Neuen Rechten und dem offenen Rechtsradikalismus/Neo-Nazismus.
Der neue parteipolitische Rechtspopulismus ist gewissermaßen das Sammlungsmedium all dieser Strömungen.
URSACHEN DES RECHTSPOPULISTISCHEN ERFOLGES
Der Aufstieg des Rechtspopulismus in den westlichen Demokratien hat zwei Gründe:
ERSTENS formulierte er ein simples, aber gerade deswegen effektives identitätspolitisches Programm, dass diejenigen anspricht, die sich seit den 1990ern als Krisen-Verlierer gesehen haben - und sich vom kulturellen Liberalismus bedroht fühlen (oft mit pathetischer Selbstinszenierung in der Opfer-Rolle).
Es ist ein rein negatives Anti-Programm:
Anti-Migration / Anti-Diversity / Anti-Öko / Anti-Wohlfahrtsstaat / Anti-Pandemie-Prävention / gegen "globalistische" Institutionen / "Friedenspolitik" gegenüber gleichgesinnten Autokratien statt Wehrhafter Demokratie, etc.
ZWEITENS nutzte der Rechtspopulismus die neuen Propaganda-Möglichkeiten, die Social Media und sogenannte "Alternativmedien" bieten, wesentlich früher und effektiver, als Linksliberale und Mainstream-Konservative.

DER RECHTSPOPULISMUS INSZENIERT SICH ALS ERNEUERUNG DER DEMOKRATIE
Den kulturellen Liberalismus seit den 1970ern bezeichnet der Rechtspopulismus als Verschwörung "globalistischer" oder "linksgrüner" Eliten gegen eine angebliche "schweigende Mehrheit".
Er inszeniert seinen Kampf um die politische Macht als demokratischen Kampf des "einfachen Volkes" gegen eine "linke autoritäre Elite" - gemeint sind aber in Wirklichkeit die sozial-liberalen Teile der Mittel- und Bildungsschicht, deren dynamisches Wachstum seit den 1970ern zu ihrer prägenden Rolle im politischen Mainstream geführt hat.
Der Rechtspopulismus will dies prägende Rolle dieses Lagers brechen.
UNTERSCHIED ZWISCHEN FASCHISMUS UND RECHTSPOPULISMUS
V.a. ein zentraler Punkt unterscheidet den Rechtspopulismus des 21. Jhd. vom Faschismus der Weltkriegsepoche:
Mussolini oder Hitler sprachen offen von der Abschaffung des Parlamentarismus - um durch einen autoritären Einparteienstaat eine "unmittelbare Volksherrschaft" aufzubauen, begründet durch eine charismatisch-populistische Direktverbindung zwischen Volk und Führer.
Die heutigen Rechtspopulisten wollen den Parlamentarismus nicht offen abschaffen - sondern ihre Gegner diskriminieren und marginalisieren, indem sie die Verfassungsinstitutionen einer "autokratischen Revision" unterziehen.
STRATEGIEN DES RECHTSPOPULISMUS
In der OPPOSITION:
Hier will er durch Propaganda die "Eroberung der kulturellen Hegemonie" erringen - was v.a. im Sektor der sozialen Medien weit fortgeschritten ist.
Und in DEU mit Hilfe der Springer-Presse nun in den Traditionsmedien fortgesetzt wird.
An der REGIERUNG:
Hier will erstens den ökonomischen Liberalismus radikalisieren um den kulturellen Liberalismus zu zerstören:
Die Staatsausgaben für ideologisch verhasste Sektoren sollen zusammengestrichen werden: v.a. Migration, Umweltschutz, Arbeitslosenunterstützung und die öffentliche Förderung zivilgesellschaftlicher Organisationen mit "linker" Agenda - was u.a. Diversität und geschichtskritische NS-Aufarbeitungspolitik betrifft.
Doch er greift nicht nur den "linken" Teil des öffentlichen Sektors an.
Er greift auch die demokratischen Verfassungsinstitutionen selbst an:
Er schwächt systematisch ihre sachgemäße Funktionsweise - was er dann in orwell'scher Manie als "Wiederherstellung der Demokratie" verkauft.
Gewaltenteilung, Rechtsstaatlichkeit, Pressefreiheit und Wahlverfahren werden nicht völlig zerstört, sondern gezielt geschwächt und auf die eigenen Machtbedürfnisse zugeschnitten.
❌ Die Fairness der Wahlen wird untergraben.
❌ Unfaire Wahlen sichern strategische Mehrheiten.
❌ Diese Mehrheiten schwächen die Gewaltenteilung.
❌ Eine so ermächtigte Exekutive zerstört die Unabhängigkeit der Verwaltung.
❌ Die politisierte Verwaltung marginalisiert und schikaniert die Opposition - mit Gerichtsklagen, gesetzlicher Diskriminierung, der Streichung legitimer finanzieller Zuschüsse, etc. etc.
Als finales Repressionsmittel ist auch der Einsatz einer politisierten Polizei und eines politisierten Inlandsgeheimdienstes vorgesehen.
Antiterrorgesetze lassen sich dank Gummiparagraphen leicht gegen Oppositionelle anwenden.
DIE RECHTFERTIGUNG DES DEMOKRATIEABBAUS
Gerechtfertigt wird dies mit der Behauptung, das "alte System" wäre im Sinne der "Linken" manipuliert gewesen.
Das was man selbst tut, das wirft man dem Gegner vor, zuerst getan zu haben - die Propaganda erfindet hierzu entsprechende revisionistische Legenden.
z.B.: Die Einordnung der AfD als verfassungsfeindlich durch den Verfassungsschutz?
"Eine Verschwörung der linksgrünen Ampel!
Der Verfassungsschutz muss gesäubert werden, die linksgrünen Täter zur Rechenschaft gezogen!"
So oder so ähnlich wird autokratische Verformung der Verfassungsinstitutionen diskusiv als "Wiederherstellung der Demokratie" bemäntelt werden.
ORBAN, TRUMP UND PUTIN ALS VORBILDER
Viktor Orban ging diesen Weg in Ungarn konsequent als Erstes.
Trump vollzieht ihn nun in den USA.
Sowohl Orban als auch Trump bewundern Putin.
Alle Kräfte in Deutschland, die Sympathien für Orban, Trump oder Putin zeigen, wollen das politische System autokratisieren - auch wenn sie ihre Opposition demagogisch als Kampf FÜR die Demokratie bemänteln.
Die Anti-Demokraten von heute geben sich als die besseren Demokraten aus.
Es steht zu befürchten, dass mit dem fortgesetzten Schwelen der zahlreichen Hyper-Globalisierungs-Krisen immer größere Teile der alten politischen Mitte anfällig für dieses Täuschungsmanöver werden.
In den USA passiert es gerade.

DIE ROLLE DER AUTOKRATISCHEN GROẞMÄCHTE WELTWEIT
Wie weit auch Europa in naher Zukunft vom "demokratischen Verfall" eingeholt wird - das wird nicht zuletzt dadurch entschieden, ob die liberalen Demokratien sich geopolitisch und wirtschaftlich gegen Russland, China und die Trump-USA behaupten können.
Denn alle Drei nehmen mittels "Grey Zone Aggressions", Hybrider Kriegsführung und wirtschaftlicher Erpressung die liberalen Demokratien von Außen unter Beschuss.
Die inneren und äußeren Bedrohungen der Demokratie sind längst eine Allianz eingegangen.
Nicht umsonst haben die autokratischen Mächte in der AfD ihren stärksten Fürsprecher in Deutschland.
Im Augenblick sehen die Perspektiven düster aus.
Doch entschieden ist noch nichts.
/END
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